Silizium und Leben



M.G. VORONKOV
G.I. ZELCHAN
E. LUKEVITZ


Silizium und Leben
Biochemie, Toxikologie und Pharmakologie der Verbindungen
des Silizium

Bearbeit und herausgegeben von
PROF. DR. KLAUS RÜHLMANN
Dresden

Mit 4 Abbildungen und 29 Taballen


AKADAMIE-VERLAG · BERLIN · 1975

5. Die biologische Rolle des Siliziums im mensehlichen und tierischen Organismus

5.1. Normale physiologische Prozesse


Welche Rolle, das Silizium bei den im Organismus der höheren Tiere und des Mensehen normal ablaufenden physiologischen Prozessen spielt, ist nur in ganz großen Zügen bekannt. Problemen dieser Art sind Arbeiten von MONCEAUX [1846], HOLZAPFEL [1355, 1357], FESSENDEN [1087], POLOMARJEV [453, 454] und anderen Autoren [649, 1317] gewidmet. In den meisten Fällen enthalten diese Veröffentlichungen jedoch nur Vermutungen über die Mitwirkung des Siliziums bei diesem oder jenem Lebensprozeß oder über seine Bedeutung für die Tätigkeit einzelner Organe oder Gewebe, wogegen die experimentellen Beweise meist fehlen.

In der letzten Zeit hat man festgestellt, daß Siliziumverbindungen für die normale Funktionstüchtigkeit von Epithel- und Bindegeweben, denen sie insbesondere Festigkeit, Elastizität und eine gewisse Undurchlässigkeit verleihen, notwendig sind [1566, 1714, 2066, 2181]. Die genannten Eigenschaften der Bindegewebe, die in hohem Maße von der Anwesenheit des Siliziums abhängen, sind nicht nur für die Epidermis, sondern auch für die Blutgefäße von hoher Bedeutung. Siliziumverbindungen, die in den Blutgefäßen enthalten sind, verhindern auch das Eindringen von Lipiden in das Blutplasma und ihre Ablagerung an den Gefäßwänden. Silizium begünstigt die Biosynthese von Kollagen und die Bildung von Knochengewebe. So wurde z. B. an Knochenbruchstellen gleichzeitig mit der Bildung von Kollagenfibrillen und einer Intensivierung des Zellwachstums auch eine Erhöhung des Siliziumgehaltes (bis auf das 50 fache) festgestellt [70, 905]. Bei der Behandlung von durchschnittenen Sehnen konnte jedoch kein positiver Einfluß der Kieselsäure beobachtet werden [840].

Die Siliziumverbindungen besitzen eine große Bedeutung für das Wachstum der Haare und Nägel des Menschen, der Haare, Hörner und Hufe der Tiere und der Fedem der Vögel. Das sich an diesen Stellen ablagernde Silizium bindet mit Hilfe von Quervernetzungen die Keratinmakromoleküle chemisch aneinander und erhöht damit ihre Beständigkeit gegenüber verschiedenen Flüssigkeiten. In diesem Zusammenhang scheint die Beobachtung von Interesse, daß in Gefangenschaft lebende Affen, die im Winter die Haare verlieren, Ton (der bekanntlich Siliziumverbindungen enthält) fressen, wenn sie im Frühling in das Freigehege herausgelassen werden. Zur Verhütung der Psoroptes Räude (Wollerkrankung) pflegt man Schafe mit Hirse zu füttern, deren Hülle viel Silizium enthält [453, 454]. Der Zusatz von Kieselsäuregel zur Nahrung von Schafen verbessert die Verdauung des Futters [847]. Aus diesem Grunde ist in den USA ein Viehfutter patentiert worden, das amorphe Kieselsäure enthält [720]. Einige Tiere fressen Holzrinde oder Moose, die sich durch einen hohen Gehalt an Silizium auszeichnen, um ihrem Organismus genügend Silizium zuzuführen.

Die Frage, ob das Silizium einen Einfluß auf die allgemeine Entwicklung von Tieren besitzt, ist noch nicht völlig geklärt. Z. B. wurde bei der Fütterung von Ratten mit einem siliziumhaltigen Futter keine Beeinflussung ihres Wachstums festgestellt [1564, 2208]. Inzwischen gibt es jedoch Beobachtungen, daß Rehe in Gebieten mit siliziumarmem Boden schlecht aufwachsen, während sie sich in Gebieten mit siliziumreichem Boden normal entwickeln [1846]. Die Zahl der aus dem Laich ausschlüpfenden Forellen ist umso größer, je höher der Siliziumgehalt des Wassers ist, in dem sie leben. Bei einem hohen Siliziumgehalt entwickeln sich 90% aller Rogenkörner zu Jungfischen (die zudem eine hohe Lebensfähigkeit besitzen) [1846]. Schwächliche Kinder kräftigen sich, wenn man ihrer Nahrung SiO2 zusetzt, sie nehmen an Gewicht zu und ihr Brustkorb entwickelt sich normal [952].

Wenn sich die in der Literatur enthaltenen Angaben über einen hohen Siliziumgehalt in Embryonal- und Neugeborenengeweben bestätigen lassen (z. Z. sind die Befunde noch recht widersprüchlich), wird das ein wichtiger Hinweis auf die Bedeutung der Siliziumverbindungen für die Embryonalentwicklung und· das Wachstum des kindlichen Organismus sein. Im Zusammenhang damit sollte auch die Frage nach einem optimalen Gehalt der Nahrung von Schwangeren und stillenden Müttern an Siliziumverbindungen von Interesse sein.

Es wird angenommen, daß Siliziumverbindungen eine wesentliche Rolle in allen metabolischen Prozessen der lebenden Materie, insbesondere im Metabolismus der Lipide, spielen. Der Einfluß des Siliziums auf den Lipid- und den Phosphorstoffwechsel im tierischen Organismus wurde experimentell bewiesen [263, 606]. So konnte durch in vitro-Versuche mit Gewebepräparaten von Ratten gezeigt werden, daß das Silizium in die metabolischen Prozesse in den Zellen einbezogen wird [2116, 2117, 2118]. Silizium übt auch einen Einfluß auf die Stoffwechselvorgänge in den Erythrozyten aus [604, 605]. Wahrscheinlich nehmen Siliziumverbindungen an der Dynamik des lebenden Plasmas durch eine Änderung des Oberflächenpotentials der Zellen teil [2215]. Anscheinend spielen sie auch eine Rolle bei Oxydationsprozessen, da man sie als Koferment in Diastasen findet [162].

Sicher ist das Silizium sowohl im menschlichen als auch im tierischen Organismus kein inerter Ballaststoff, sondern nimmt aktiv an den Lebensprozessen teil. Die Erforschung der Rolle des Siliziums in den physiologischen Prozessen der Säugetiere besitzt zweifellos eine große praktische Bedeutung und kann durchaus eine neue wichtige Etappe in der Entwicklung von Medizin und Veterinärmedizin einleiten.

5.2. Pathologische Prozesse

Ohne Zweifel spielt das Silizium auch bei krankhaften Zuständen im Organismus eine Rolle. Viele pathologisehe Prozesse, darunter auch Krebs, Arteriosklerose, Tuberkulose, Diabetes, Kropf und einige Dermatitiden sowie die Bildung von Nierensteinen sind mit Störungen des Siliziumstoffwechsels verknüpft. So enthalten beispielsweise Geschwülste bedeutend mehr Silizium als normale Gewebe. Bei der Entstehung eines Kropfes steigt der Siliziumgehalt in der Schilddrüse auf das drei- bis vierfache an, in bösartigen Geschwülsten auf das zwei- bis sechsfache (dabei ist der Siliziumgehalt im Kern der Geschwulst noch wesentlich höher als in den peripheren Bezirken) [229, 278, 279, 280, 311, 745, 1474, 2091, 2254, 2255]. Mit der Ausbildung von Nekrosen sinkt der Siliziumgehalt in der Geschwulst wieder ab, da die nekrotischen Teile weniger Silizium enthalten als das von der Nekrose noch nicht befallene Gewebe der Geschwulst [278, 279, 415]. Bei Neurosarkomen ist der Siliziumgehalt in den Gesehwülsten niedriger [71]. In der Bauchspeicheldrüse erhöht sich der Siliziumgehalt bei Krebsbefall. Nach chirurgischen Eingriffen sinkt dagegen der Siliziumgehalt der Bauchspeicheldrüse sogar unter die Norm ab [1473, 2186]. Die Ausscheidung von Silizium mit dem Harn ist bei Krebskranken 2,5-17 mal geringer als bei gesunden Menschen [311]. Diese Beobachtung ist von großer Bedeutung für die Frühdiagnostik von Krebserkrankungen. Sie sollte jedoch zugleich eine genauere Untersuchung der Rolle von Siliziumverbindungen in der Krebspathogenese überhaupt anregen. Bei Geschwulsterkrankungen der Harnblase nimmt der Siliziumgehalt im Harn zu [293]. Das Blut von Krebskranken enthält ebenfalls erhöhte Mengen an Silizium [281, 477, 1144].

Auf die Schutzfunktion des Siliziums bei Krebserkrankungen deutet die Tatsache hin, daß Krebsfälle in silizium- (oder magnesium-) reichen Gebieten sehr selten sind, während sie in Gebieten, die reieh an Kalzium - dem Siliziumantagonisten - sind (Kalkböden), viel häufiger auftreten. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß Krebserkrankungen gewöhnlich nur bei Organismen vorkommen, die auf einer höheren Evolutionsstufe stehen und somit insgesamt wenig Silizium enthalten.

Man ist heute der Ansicht, daß die besondere Rolle des Siliziums bei Krebserkrankungen darauf beruht, daß es wesentlich zur Bildung und Mineralisierung der Bindegewebe beiträgt, die ja die Hauptschutzbarrieren des Organismus gegen Krebszellen sind [1666, 1846, 2066]. Entgegen dem soeben Gesagten wurde berichtet, daß in Holland gerade in Gebieten mit einem hohen Kieselsäuregehalt im Boden und im Trinkwasser eine erhöhte Mortalität durch Krebserkrankungen beobachtet wurde [2398]. Man sollte jedoch annehmen, daß auch in diesen Gebieten nicht das Silizium der kanzerogene Faktor ist.

Bei Tuberkulose verlieren die Lungengewebe durchschnittlich 50% ihres Siliziumgehaltes und die Knochengewebe über 40% [890, 1779, 2090]. Bei Meerschweinchen, die an experimenteller Tuberkulose starben, hatte der Siliziumgehalt in der Lunge, den Knochen, den Knorpeln, den Zähnen, der Haut, den Muskeln, der Milz, dem Blut und der Galle abgenommen, im Groß- und Kleinhirn sowie im Knochenmark jedoch zugenommen [889]. Die Immunität gegenüber der Tuberkulose hängt eng mit dem Siliziumgehalt im Lungengewebe zusammen [2442]. Für diese Annahme spricht, daß in der Lunge des Menschen und der Tiere, die besonders widerstandsfähig gegenüber Tuberkulose sind, eine hohe Konzentration an Silizium gefunden wurde (die Lunge von Meerschweinchen, die gegen Tuberkulose besonders anfällig sind, enthält nur 0,03-0,08% SiO2), und weiter, daß diejenigen Teile der Lunge, die am wenigsten Silizium enthalten, am leichtesten von Tuberkulose angegriffen werden (der empfindliche rechte obere Lungenlappen enthält nur 0,24% SiO2, der widerstandsfähige rechte untere dagegen 0,80%).

Die Bauchspeicheldrüse, die sich beim Menschen und bei Tieren durch einen hohen Siliziumgehalt auszeichnet und die vermutlich den Siliziumstoffwechsel im Organismus regelt, wird von Tuberkulose weniger befallen als andere Organe [1846]. Bei Tuberkulosekranken nimmt der Siliziumgehalt in der Bauchspeicheldrüse beträchtlich ab. Wahrscheinlich gibt die Drüse das in ihr enthaltene Silizium an die Lunge ab, in der es dann seine Schutzfunktion ausübt. Auch die Ausscheidung von Silizium mit dem Harn nimmt bei Tuberkulosekranken ab [1650]. Auf eine Schutzwirkung des Siliziums deutet auch die Tatsache hin, daß Schwangere besonders anfällig gegen Tuberkulose sind. Das hängt vermutlich damit zusammen, daß der Embryo dem Organismus der Mutter große Siliziummengen entzieht (der Siliziumgehalt der Bauchspeicheldrüse sinkt während der Schwangerschaft rasch ab [1473])·

Bei Tuberkuloseerkrankungen der Rinder am peribronchialen Lymphsystem steigt dessen Silizumgehalt auf das 2- bis 11 fache an [162], was auf eine Mobilisierung dieses Elementes in der Abwehrreaktion des Körpers gegen die Krankheit hindeutet

Bei pathologischen Prozessen, die mit einer Störung der normalen Mineral-zusammensetzung im Organismus verbunden sind, ändert sich der Siliziumgehalt in viel höherem Maße als der Gehalt an anderen Elementen. So sinkt beispielsweise der Siliziumgehalt in Knochengeweben bei einer tuberkulösen Kachexie um mehr als 45%, während die Kalzium- bzw. Magnesiumverluste nur 25 bzw. 13% betragen [889, 890, 1779, 2090]. Daß der Organismus seinen Mineralreserven soviel Silizium entnimmt, zeigt, wie wichtig dieses Element für seinen Schutz und für die Aufrechterhaltung seiner Stoffwechselprozesse ist.

Eine Verringerung der dem Organismus zugeführten Siliziummenge (der Mensch benötigt täglich 20-30 mg SiO2, die er mit Wasser, Gemüse, Obst, Fleisch, Milchprodukten usw. aufnimmt) führt zur ,,silikösen Anämie'', die u. a. auch bei der Skrophulose, bei Rachitis und Lympherkrankungen beobachtet wird. Diese Erscheinung tritt bei einem hohen Kalziumgehalt des Trinkwassers (das dann immer nur geringste Mengen gelösten Siliziums enthält) oder bei der Aufnahme besonders veredelter Nahrung (Weißbrot, geschälte Graupen, geschältes Obst usw.) auf. In den Pflanzen, die zur Ernährung in Frage kommen, ist das Silizium ja hauptsächlich in den äußeren Bereichen (Spelzen, Obst- und Gemüseschalen) konzentriert.

Über die Bedeutung eines Zusatzes von Kieselsäure zur Nahrung schwangerer Frauen, schwächlicher Kinder und einiger Tiere wurde schon im vorangegangenen Abschnitt berichtet. An dieser Stelle muß bedauert werden, daß der Zusatz von Siliziumverbindungen zu hochveredelten Nahrungsmitteln (so wie es mit Vitaminen schon lange geschieht) bis jetzt noch keinen Eingang in die Nährmittelindustrie gefunden hat. Ein Siliziumdefizit im Organismus wird durch eine Verringerung des Säuregehaltes im Magensaft, die zu einer schlechteren Verdauung der in der Nahrung enthaltenen Siliziumverbindungen führt, begünstigt.

Das einfachste und eindeutigste diagnostische Merkmal für einen Siliziummangel im Organismus ist die Brüchigkeit der Nägel. Dieses Symptom wurde schon seit langer Zeit bei Lungenerkrankungen, sowie bei chronisch kranken oder schwächlichen Kindern (bei denen der Siliziumgehalt in den Nägeln um 50-70% sinkt) beobachtet. Außerdem zeigen Si-arme Nägel im Gegensatz zu normalen keine Fluoreszenz bei UV-Bestrahlung [1846].

Bei der in Nordafrika vorkommende Knochenerweichung (Osteomalazie) und bei Hüftsarkomen verschwindet das in den Knochen normalerweise enthaltene Silizium völlig [888, 889, 890].

Das in den Blutgefäßen vorhandene Silizium findet sich hauptsächlich im Elastin und nur zu einem kleinen Teil im Kollagen. Bei der Arteriosklerose nimmt der Siliziumgehalt im Bindegewebe stark ab. Durch die damit verbundene Abnahme des Elastingehaltes verringert sich die Elastizität der Arterienwände. Gleichzeitig wächst auch die Durchlässigkeit der Wände, wodurch Lipide in das Plasma eindringen und in den Blutgefäßen abgelagert werden. Da ähnliche Prozesse beim Altern des Organismus ablaufen, ist die Arteriosklerose bei älteren Menschen besonders verbreitet [1152, 1709-1712, 1714-1716, 2039]. Auch beim Diabetes sinkt der Siliziumgehalt im Blut [321, 322, 323, 1581] und ebenso in der an Silizium reichen Bauchspeicheldrüse [1846] beträchtlich ab. Man konnte deshalb verschiedene Formen dieser Erkrankung durch Kieselsäureinjektionen erfolgreich behandeln. Bei lepraartigen Erkrankungen sinkt der Siliziumgehalt im Blut um 50-60% ab, was durch eine Abwanderung des Siliziums in die Affektionsherde zur Teilnahme an proliferativen Prozessen erklärt werden kann [266]. Eine Abnahme des Siliziumgehaltes in der Haut soll die Bildung von Warzen begünstigen [1846].

Außer den genannten Krankheiten sind noch zahlreiche andere pathologische Prozesse mit Veränderungen im Stoffwechsel der Siliziumverbindungen verbunden. Dazu gehören die amyloide Entartung [1470, 1868], die allergische Enzephalomyelitis [398], die BOTINsche Krankheit [93], Entzündungsprozesse [247], Hämaturie [1155], Hepatitis [69], Hypertonie [1612], Dysenterie [69], Augenkatarakte [600], Hautkrankheiten [265, 267, 839, 1740], die perniciöse Anämie [1270], einige Krankheiten des Nervensystems [223], Nierenerkrankungen [436], chronische Pankreatitis [400], Rheumatismus [372] und Magengeschwüre [456, 1270, 2092].

Die bisherigen Befunde deuten darauf hin, daß Silizium im Organismus eine wichtige Schutzfunktion besitzt, Schutzmechanismen verstärkt und Desintoxikationen bewirken kann. Teilweise mag das darauf beruhen, daß Siliziumverbindungen die Ausscheidung von Metaboliten, Fremd- und toxischen Stoffen mit dem Harn begünstigen, die Ausbreitung von Degenerationsprozessen hemmen sowie die Biosynthese von Kollagen intensivieren können [1846].

In den Dschungeln und Bergen Brasiliens und Ekuadors befinden sich eng lokalisierte Gebiete, deren Bewohner weder Krebs noch Erkrankungen der Herzkranzgefäße kennen. Es wurden sogar Herzkranke, die in diese Gebiete einreisten, wieder gesund [464]. Weiterhin gibt es auf der Erde Gebiete, deren Bewohner eine auffallende Langlebigkeit besitzen. Man kann als wahrscheinlich annehmen, daß die Gesundheit und Langlebigkeit in diesen Gebieten, deren Natur- und Lebensbedingungen häufig von den Idealverhältnissen weit entfernt sind, von den Spurenelementen abhängen, die im Trinkwasser und im Boden enthalten sind. Es wäre natürlich besonders reizvoll, anzunehmen, daß dabei das Silizium als Mineralbestandteil des Wassers dieser Gebiete eine entscheidende Rolle spielt. Ob diese Hypothese zutrifft, kann allerdings nur die Zukunft zeigen.

Neben dem bereits Gesagten muß jedoch beachtet werden, daß sich eine starke Erhöhung des Siliziumgehaltes im Organismus (wie z. B. bei der Silikose) auch als ungünstig enweisen kann.

Die bei der Silikose auftretende Anreicherung des Siliziums, das durch Einatmen von Kieselsäure oder Silikatstaub in die Lunge gelangt ist, zeigt sich nicht nur in der Lunge [222, 810, 990, 1159, 1417, 1432, 1520, 1852, 2022, 2562], sondern auch in der Leber, der Milz, den Lymphknoten und anderen Organen [488, 575, 727] sowie im Blut*) [62, 108, 186, 238, 806, 1772], im Harn [108, 401, 1172] und im Speichel [906, 1686, 2148]. Diese überschüssige Kieselsäure ist der Grund für zahlreiche pathologische Veränderungen, die im zweiten Teil unseres Buches genauer beschrieben werden sollen.

*) Einige Autoren [2077, 2536] sind jedoch der Ansicht, daß sich bei der Silikose der Siliziumgehalt im Blut nicht merklich erhöht.

Ein Überschuß an Kieselsäure im Organismus führt zu einer bei grasfressenden Tieren weit verbreiteten Krankheit, der Bildung von Steinen im Harnröhrensystem, die zu 50-80% aus Siliziumdioxid bestehen [307, 371, 712, 717, 718, 772, 980, 1107, 1108, 1371, 1501, 1503, 1908, 1953, 1975, 2036].

Von großer Bedeutung ist, daß metabolisch bedingte Änderungen des Gehaltes an Silizium- und Kalziumverbindungen sehr eng miteinander verknüpft sind [889, 890, 1846, 2215], z. B. ist das Altern des Organismus mit einer Störung des Gleichgewichts zwischen diesen beiden Elementen verbunden, und zwar mit einer Abnahme des Silizium- und einer Zunahme des Kalziumgehaltes in den Bindegeweben. Die mit einer gleichzeitigen Anreicherung von Kalzium verbundene gerontologische oder pathologische Abnahme des Siliziumgehaltes in Geweben ist der Grund für die Brüchigkeit der Gewebe, die ihre Elastizität ja dem Silizium verdanken. Aus diesem Grunde kann SiO2 zur Entkalkung des Organismus (insbesondere der Knochen) [889] u. a. auch bei der Arteriosklerose [2020] angewendet werden. Bemerkenswert erseheint, daß die organischen Siliziumverbindungen im Gegensatz zu den anorganischen den Kalziumgehalt in den Knochen erhöhen [889].

Die Verschiebung des Gleiehgewichtes zwischen Silizium und Kalzium besitzt auch bei den rheumatischen Erkrankungen (periartikuläre Elastopathien, Fibrositis, Tendinitis) eine große Bedeutung [2010].

Silizium wirkt bei der Bindung des Kalziums in den Knochen von Tuberkulosekranken mit, und ein Zusatz von aus Pflanzen stammenden Siliziumverbindungen (Silikate zeigen keine Wirkung) zur Nahrung fördert die Kalzifizierung und das Zusammenheilen gebrochener Knochen in hohem Maße. Aus diesem Grunde wurde die Gabe von Pflanzensilizium bei der chirurgischen Behandlung der verschiedensten Knochenverletzungen empfohlen [1846].

Die gemachten Angaben zeigen eindrucksvoll die bedeutende Rolle des Siliziums bei vielen pathologischen Prozessen. Man kann sicher sein, daß zukünftige eingehendere Untersuchungen auf diesem Gebiet zur Entwicklung neuer Mittel und Methoden für den Kampf gegen viele Erkrankungen, in erster Linie gegen Herz- und Gefäßerkrankungen und gegen den Krebs beitragen werden.